Eins gleich vorneweg: Dies ist kein Unfallbericht. Zumindest keiner in dem das eigentliche Unfallgeschehen im Vordergrund steht. Dies soll und wird in diesem Bericht nicht zur Diskussion stehen. Vielmehr soll es um das Unfallmanagement nach dem Unfallgeschehen gehen.
Warum aber dieser Bericht? Nun ich hatte die Gelegenheit einen Tauchunfall zu beobachten und habe mir, nachdem der Unfall „abgearbeitet“ war, so meine Gedanken gemacht, was man hätte verbessern können. Aus diesen Gedanken sind einige generelle Schlussfolgerungen für mich entstanden, die ich gerne mit Euch teilen würde.
Der Betroffene Taucher in diesem Bericht hat mir – auch wenn er namentlich nicht genannt wird – sein Einverständnis für den Bericht gegeben. Auch der Ort ist eigentlich für den Bericht unerheblich, da aber viele von Euch nach Ägypten fahren kommt so vielleicht leichter ein Bezug zu dem Geschehen hinzu.
Der Unfall ereignete sich im Juli im Roten Meer bei einer Luft-Temperatur von 38-40°C und einer Wassertemperatur von 26°-28°C. Die See war glatt, wie mit einer Maurerkelle gezogen.
Das Tauchteam, das aus zwei erfahrenen Tauchern bestand, tauchte nach dem Tauchgang auf, signalisierte dem in ca. 100m Entfernung wartenden Zodiac, dass alles okay sei und wartete an der Wasseroberfläche darauf abgeholt zu werden. Alles in Allem waren die beiden Taucher sicher noch 10-15 Minuten an der Oberfläche, bis die Geräte abgelegt und sie selbst wieder im Boot waren. Beim Ablegen des Gerätes bemerkte einer der beiden Taucher einen ziehenden Schmerz in der Schulter, den er zunächst für eine „Verrenkung“ beim ausziehen des Gerätes gehalten hat. Dieser Schmerz verschwand nach 3 Minuten wieder vollständig, so dass diesem keine große Bedeutung beigemessen wurde.
Das Boot wurde gestartet und man trat die 15-20 Minütige Heimfahrt zur Basis an. Auf einmal bemerkte einer der Taucher eine leichte „Seekrankheit“, die er sich ob der flachen See nicht erklären konnte. Diese entwickelte in kürzester Zeit soweit, dass er doppelt zu sehen begann und sich mehrfach übergeben musste und das Gleichgewicht kaum noch halten konnte.
Dies signalisierte er den anderen beiden Mitfahrern sofort und er setzte sich auf den Schiffsboden und begann den auf dem Boot vorhandenen Sauerstoff zu atmen. Übereinstimmend ging man aber davon aus, dass es sich eher um einen Hitzschlag handelte, denn die Mittagssonne brannte schon sehr stark. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte dieser Taucher am betreffenden Tag etwa 2-3 Liter Wasser getrunken.
Das Boot erreichte den Strand, der verunfallte Taucher konnte sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr auf seinen Beinen halten, war aber bis auf das Schwindelgefühl völlig bewußtseinsklar.
Mit der Verdachtsdiagnose „Hitzeschlag“ brachte man den Taucher erst einmal in einen kühlen Raum und versorgte ihn mit kühlen Getränken und nassen Handtüchern. Nach ca. 2-3 Stunden hatte sich noch immer keine wesentliche Besserung des Zustandes (Schwindel, Erbrechen) eingestellt – allerdings auch keine Verschlechterung. Ein in der Nähe befindlicher Arzt wurde hinzugezogen, der den Patienten begutachtete und ihm eine Infusion verabreichte. Nach weitern 1-2 Stunden trat immer noch keine Besserung ein – der Taucher wollte allerdings versuchen etwas zu essen. Die ihm gegebene Gemüsesuppe erbrach er nach wenigen Minuten wieder und er gab immer noch ein jämmerliches angeschlagenes Bild ab.
Nun entschloss sich der nicht verunfallte Tauchpartner zu einem Anruf bei DAN, allerdings bei der nicht Notfallnummer, denn man ging ja immer noch von einem Hitzschlag aus. Zum Glück hatte man aber einen Tauchmediziner am Telefon, der die Denkweise doch in Richtung eines Tauchunfalls lenkte. Nach einem kurzen klärenden Gespräch entschloss man sich den Zustand des Verunfallten durch einen Tauchmediziner abklären zu lassen. Die nächste einsatzbereite Dekokammer befand sich in ungefähr einer Stunde Fahrzeit Entfernung. Allerdings ging die Fahrt dorthin durch bergiges Gebiet (max. 800m Seehöhe).
Dem DAN Mitarbeiter wurde mitgeteilt, dass man in wenigen Minuten aufbrechen werde und in ungefähr einer Stunde die Kammer erreichen werde. Während der Fahrt atmete der Verunfallte 100% Sauerstoff aus einem DAN Notfallkoffer. Das Erbrechen und der Schwindel besserten sich während der Fahrt nicht. Im Druckkammerzentrum wurde man schon erwartet – DAN hatte den Patienten bereits komplett angemeldet.
Nach einer ausführlichen Untersuchung entschied der diensthabende Arzt mit einer Druckkammerbehandlung gemäß US Navy Tabelle VI zu beginnen. Das Programm, das ursprünglich fünfeinhalb Stunden dauern sollte, wurde auf insgesamt siebeneinhalb Stunden ausgedehnt. Danach konnte der Patient die Kammer zumindest auf den eigenen Füßen einigermaßen sicher verlassen. Die Diagnose lautete nun auf "Innenohr DCS Typ 2".
Es folgten an den zwei darauffolgenden Tagen noch drei weitere Behandlungen nach US Navy Tabelle V mit jeweils zweieinhalb Stunden Behandlungsdauer. Am Ende dieser Behandlungen hatte der Patient keine größeren Beschwerden mehr – der Restschwindel war nach Aussage des Patienten vergleichbar mit dem Zusatnd nach dem Genuß von 3-4 großen Bier. Nach Aussage des behandelnden Arztes sei dies normal und dieser Restschwindel würde innerhalb der nächsten 4 Tage verschwinden. Es wurde ein Flug- und Bergfahrverbot für 4 Tage ausgesprochen, das Tauchverbot lag bei insgesamt 3 Monaten! Da der Heimweg in die Tauchbasis aber durch die Berge führte wurde der Heimtransport dann mit dem Zodiac durchgeführt.
Die nächsten Tage verliefen recht langweilig für den Taucher konnte er doch nicht mehr tauchen. Nach vier Tagen stand dann der Heimflug nach Europa auf dem Programm, dieser verlief ohne Komplikationen. Der nach dem Kammeraufenthalt noch vorhandene Restschwindel war allerdings weder weniger geworden - geschweige denn verschwunden. Der Taucher ruhte sich zu Hause nach seiner Ankunft erst einmal von den Erlebnissen aus und beschloss das Wochenende noch Abzuwarten (Ankunft war am Donnerstag Nachmittag). Sollte das Wochenende keine Besserung bringen dann sollte ein Tauchmediziner am Montag konsultiert werden.
Es kam wie es kommen musste – keine Besserung bis Montag und ein Taucherarzt wurde angerufen. Dieser empfahl schon am Telefon eine Druckkammer aufzusuchen, da eine Restsymptomatik in jedem Falle weiterbehandelt gehöre. Nach weiteren 6 Kammerfahrten an den folgenden Tagen nach dem US Navy V Schema waren dann auch diese Symptome verschwunden.
Welche Lehren habe ich für mich aus diesem Unfall gezogen?
1.) Jedes „merkwürdige“ Ereignis nach einem Tauchgang kann ein möglicher Tauchunfall sein. Er braucht nicht immer die „klassischen Anzeichen“ wie Hautjucken, Lähmungserscheinungen, etc. Mit einer entsprechenden medizinischen Einrichtung sollte deshalb so schnell als möglich Kontakt aufgenommen werden. Auf Hotelärzte oder andere nicht Tauchmediziner ist in vielen Urlaubsdestinationen bei Tauchunfällen kein Verlaß.
2.) Eine Tauchversicherung ist ein absolutes „must-have“ für jeden Taucher. Auch wenn man „nur flache, risikoarme“ Tauchgänge macht. Auch dann kann es einen treffen. Vorsicht allerdings bei Kurzzeitversicherungen, wie sie z.B. von vielen Basen in Ägypten angeboten werden (z.B. 6$ für 3 Wochen Versicherungsschutz). Zum Teil decken diese Versicherungen nur die erste Behandlung in der Kammer ab. Folgebehandlungen gehen dann zu Lasten des Unfallopfers. Bei Behandlungskosten von durchschnittlich 500$/h in der Kammer ein teures Vergnügen. In dem geschilderten Fall gut 4000 EUR zzgl. der Kosten der europäischen Kammer, die noch mal bei 300 EUR/Fahrt liegen dürften. Also insgesamt gut 6000 EUR alles in allem.
3.) Die Tauchversicherungen unterhalten meist „Notfall-Hotlines“ – warum also nicht sofort anrufen und sich kompetent beraten lassen. Auch wenn man nicht der Meinung ist einen Unfall gehabt zu haben. Dafür ist man ja schließlich Mitglied. Diese Beratung kann einen Behandlungsbeginn empfindlich verkürzen. Und diese Leute haben einfach mehr Ahnung und Erfahrung in der Symptomatik von solchen Unfällen.
4.) Eine Druckkammerbehandlung ist erst dann vorbei, wenn auch die Symptome verschwunden sind bzw. sich über mehrere Behandlungstage keine weitere Besserung eintritt. Vielleicht eine Information, die man gar nicht deutlich genug weitergeben kann. Unterbrechungen und später wieder aufgenommene Behandlungen verschlechtern i.d.R. das letztliche Ergebnis.
Ich kann aus den gemachten Beobachtungen nur eine Lanze für DAN brechen. Die Art und Weise wie der Unfall von denen gemanagt wurde war wirklich professionell. Möglich das es auch andere Versicherungen gibt, die das so können, aber es war schon beeindruckend wie gut die Informationskette in diesem Fall geklappt hatte.
In jedem Fall sollte es das vordringliche Ziel sein, solche Ereignisse durch konservative Tauchplanung möglichst zu vermeiden. Es gibt aber auch in diesem Fall eine Restwahrscheinlichkeit für einen Tauchunfall - egal bei welchem Tauchprofil. In diesen Fällen gilt: Schnell professionelle Hilfe zu Rat ziehen!
Lieben Gruss
MONSTI