Altes Kalkbergwerk Miltitz

  • Pedo mellon a minno - Sprich Freund und tritt ein...


    Da ist sie schon wieder, die Gänsehaut. Kriecht die Arme hoch und fängt sich im Staunen, das sich schon länger in meinem Hirn festgesetzt hat. Das Staunen, ausgelöst durch die unwirklichen visuellen Eindrücke, die ich unter Wasser auf unserem Weg durch die Gänge und Hallen des alten Kalkbergwerks in Miltitz einfange...



    Es ist Anfang des 19. Jahrhunderts als man im kleinen Ort Miltitz in der Nähe von Meissen mit dem bislang obererdig erfolgten Abbau des Kalks in den Untertagebau übergeht. Über einen 150 Meter langen Förderbremsberg, der auch heute noch den Zugang zum Bergwerk darstellt, fuhr man unter Tage um den vor Jahrmillionen durch die Urgewalten des Erdinneren entstandenen Kalk- und Marmorstein an die Oberfläche zu holen. Durch die im Laufe des Jahrhundert fortschreitende Entwicklung der Abbautechniken wurde ein immer tieferes Graben nach dem Rohstoff möglich. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich die Vorkommen schließlich erschöpfen, verfügt das Bergwerk über fünf Sohlen. Fünf Sohlen, die sich durch die verbesserten Techniken neben der größeren Tiefe auch in ihren Dimensionen unterscheiden. 1924 wird das „Alte Kalkbergwerk“ aufgegeben, so dass sich Grundwasser und das Sickerwasser des Flüsschens Triebisch daran machen, es zu fluten. Im zweiten Weltkrieg wird kurzzeitig versucht dort eine Flugbenzinfabrik unterzubringen. Nach dem Krieg müssen Sicherungsarbeiten als Verfüllungen entlang der dicht entlang laufenden Bahnlinie unternommen werden.



    Und dann? 1997 ist es, als nach einem langen Genehmigungsverfahren die ersten Tauchkisten in die heutige „Bergseehalle“ geschleppt werden. Die ersten Tauchversuche unternehmen Peter Panitz und Udo Krause und beginnen Führungsleinen im Bergwerk zu verlegen, die ein sicheres Betauchen der Sohlen möglich machen sollen. 1998 kann mit der Gemeinde ein Vertrag zur Nutzung als Höhlentauchgewässer abgeschlossen werden, der Einstiegspunkt für Taucher wird verlegt und ein abtrennbarer Bereich eingerichtet. Weitere Nebenleinen werden installiert und schließlich findet 2002 auf Inititative von Olaf Kroll hin, der erste Trimixtauchgang im Bergwerk in Miltitz statt. Der Startpunkt für die Taucher um auch die tieferen Sohlen zu erforschen.


    Wer sein Auto heute von der Talstrasse aus durch den engen Brückenbogen unter der Bahnstrecke steuert, findet ein wohl organisiertes Besucherbergwerk vor. Im neuen Verwaltungsgebäude vor dem Zugang erhalten alle Gruppen ihre Einweisung, sowie einen der bunten Helme, die vor potentiellen Bruchstücken schützen sollen, die von der Decke fallen könnten. Wer ohne Helm geht und getroffen wird… selbst Schuld.


    Helmpflicht erfahre ich also, als ich aufgeregt und neugierig beim Briefing zwischen den anderen stehe, die sich mit mir bei Peter Panitz vom Tauchtreff Dresden für dieses Wochenende angemeldet haben. Helmpflicht, aber nicht unter der Wasseroberfläche.
    Die maximal 25 Taucher sind ein bunt gemixter Haufen aus alten Miltitzhasen und Frischlingen wie mir, die der Sucht erst noch verfallen werden. Eine nette Mischung. Sprüche fliegen hin und her, während das schwere Gerödel in die zwei bereit stehenden VW Busse geladen wird, die an Tauchtagen morgens um 9 Uhr ins Bergwerk fahren. Wohl dem, der rechtzeitig da ist. Danach ist ein geländegängiger Handwagen ein unerlässliches Hilfsmittel, um mit schwerem Gepäck die 150 Meter bis in die Halle des Bergwerks zu überwinden.



    Der erste Gang den Förderbremsweg hinunter kommt mir vor, als würde ich in der Zeit zurückversetzt. Die Grubenlampen entlang des Stollens erzeugen eine dämmerige und urtümliche Stimmung. Am Ende der Strecke öffnet sich eine Halle. Staunend blicke ich in einen großen Raum mit dicken Säulen aus Kalkstein und dahinter - der Bergwerksee. Bunte Beleuchtung lässt das scheinbar kristallklare Wasser schillern, so dass mir die emsigen Tauchvorbereitungen zu meiner Rechten erstmal recht egal sind und ich am Seerand die Atmosphäre aufsauge. Die Gänsehaut meldet sich das erste Mal, als ich daran denke, dass wir hier gleich tauchen wollen.
    Wir… äh… ja. Wo ist er eigentlich, mein Buddy? Na, toll, da hab’ ich gleich bei meiner ersten Besichtigung den Anschluss an meine andere Teamhälfte verloren. Ich finde Hoffi im Dämmerlicht zwischen den anderen wuselnden Tauchern aber schnell wieder. Als alter Miltitzhase bestens ausgerüstet, sortiert er im Schein seiner Kopflampe unsere Flaschen zusammen, die, aus den VW-Bussen ausgeräumt, auf dem Boden verstreut sind. Wohl dem, der seine Geräte mit Namen versehen hat!


    Die „Tauchzeit“ in Miltitz geht von 9 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags. Bezahlt wird nach Anzahl der Tauchgänge. So kann jeder selber entscheiden, ob er sich zügig daran macht, um zwei Tauchgänge zu absolvieren oder es lieber entspannt angehen lässt. Wir wählen letztere Variante, die reichlich Zeit lässt, unser Equipment auf den bereitgestellten Bänken zusammen zu bauen, mir ein detailliertes Bergwerksbriefing zu verpassen und einen adäquaten Plan für den Tauchgang abzusprechen. Letzteres am besten bei einer heißen Nudelsuppe in der gelben Tauchtasche, draußen auf dem Parkplatz. Ein vernünftig gefüllter Magen ist durchaus angeraten. Die Wassertemperatur des Bergwerks bietet ganze acht Grad. Nichts für Schlechtisolierte und Schnellfrierer. Dem Körper vorab in sinnvollem Umfang ein paar Brennstoffe mit auf den Weg zu geben, steigert den Tauchspaß immens. Und dafür sind wir schließlich hier!


    Tauchen in Miltitz. Bauartbedingt braucht man dafür als Eintrittskarte eine Höhlentauchausbildung. Getaucht werden kann dann auf den ersten drei Sohlen, die sich über einen Tiefenbereich bis knapp 30 Meter erstrecken und durchaus mehrere unterschiedliche Tauchgänge zulassen. Um auf die tieferen Sohlen zu gelangen, muss man am 30-Meter-Stopschild vorbei. Das geht ausschließlich mit Trimix in den Geräten. Oberhalb davon sind die meisten Gänge ausgeleint, so dass ausgiebige Eigenerkundungen entlang dieser Nabelschnüre erfolgen können.



    Soweit zu den Fakten… was bleibt ist die Erinnerung. Die Erinnerung an zwei ausgiebige Tauchgänge durch die Stollen und Hallen des Bergwerks, bei denen ich endlich, endlich meinen 18W-HID-Lampenkopf lieb gewonnen habe. Lange habe ich seinem kleinen handlichen Vorgänger nachgetrauert und nie so recht verstanden, was alle an diesen Monstern auf dem Handrücken finden. Jetzt weiß ich’s. Was für ein beeindruckender Anblick, wenn das ewig lange Lichtschwert in ein Gewölbe in Miltitz strahlt, das Ende des Lichtscheins deutlich zu sehen, die Höhlenwand oder -decke dahinter aber nur zu erahnen ist. Scheinbar endlose Sichtweiten lassen mich auf unserem Weg durch das Bergwerk immer wieder staunend anhalten und ausleuchten, was da vor, neben und über mir im Laufe des letzten Jahrhunderts von Menschenhand abgeschlagen wurde. Hoffi ist zum Glück geduldig und lässt sich trotz seiner vielen Tauchgänge im Bergwerk von meiner Begeisterung anstecken.


    Die Überbleibsel der Abbauaktivitäten geben dem Taucherlebnis eine ganz eigene Atmosphäre. Form und Struktur der Gänge lassen Höhlenfeeling aufkommen, aber zwischendrin finden sich immer wieder Beweise der Bauarbeiten: ein Fahrrad, Schaufeln oder Moniereisen in den Wänden und Böden. Und was für ein Anblick, als wir dem Gang hinunter in die sogenannte Heynitzhalle folgen! Vor mir öffnet sich eine riesige Halle mit dicken Kalksteinsäulen. Es sieht nach einer Höhle aus, aber dazwischen findet sich eine gemauerte Wand mit einer Tafel daran und eine Treppe windet sich durch das Gestein. Pling, und schon ist sie da, die Assoziation. Die Gefährten auf dem Weg durch Moria - Hobbits, Elben und Zauberer - „Sage Freund und tritt ein“...
    Die Assoziation verfliegt schließlich durch einen anderen Eindruck. Begeistert habe ich einen Moment inne gehalten, so dass Hoffi ein paar Meter Vorsprung gewonnen hat. Förmlich schwerelos scheint der schwarzgekleidete Taucher vor mir über der Mauer zu schweben und nur seine Ausatemblasen verraten das kristallklare Wasser...


    Trotz der niedrigen Temperaturen konnte ich mich bei beiden Tauchgängen nur schweren Herzens mit dem Gedanken anfreunden sie zu beenden. Die Fragen der „Miltitzureinwohner“, ob’s mir denn gefallen hätte, verstummten direkt nach dem ersten Blick in mein Gesicht. Es hat wohl ein paar Stunden gedauert, bis ich das Grinsen wieder raus hatte...



    Natürlich ist die Qualität des Taucherlebnisses „Bergwerk Miltitz“ von vielen Faktoren wie Vorerfahrung, Sichtweiten des Wochenendes und Teamzusammensetzung abhängig. Aber egal wie es damit auch immer aussieht – wer mit einem Höhlentauchbrevet in der Tasche ein schönes Wochenende mit viel Spaß an seinem Hobby erleben möchte, ist hier genau richtig.


    Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle an Olaf Kroll und seine Familie für die super nette Unterbringung und Versorgung, an Peter Panitz vom Tauchtreff Dresden für die Organisation und das ausdauernde Grillen unserer kroll’schen 2000.er-Steaks am Sonntag und - last but not least - an Hoffi, der mir zu einem meiner bislang beeindruckendsten Taucherlebnisse verholfen hat. Ich schulde Dir noch einen Tauchgang in Miltitz!

  • Hai Maren,


    danke für den wunderschönen Bericht.
    Ich habe alle meine Tauchgänge in Miltitz beim lesen noch einmal durchlebt =)
    Und die teilweise überwältigenden Eindrücke sind wieder "hochgekocht".
    Ich weis nun nicht ob ich das gerade gut finde, denn nun habe ich gar keine Luste mehr zu arbeiten :wirr: - würde jetzt lieber wieder in Miltitz abtauchen :-D


    Grüssle
    Anke

  • Maren,
    echt toller Bericht - DANKE =)


    Aber mir geht es wie Anke, jetzt mag ich nicht mehr arbeiten ;(


    LieGrü
    Mela

    Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null. Das nennen sie dann ihren Standpunkt.



    :engelNX:
    DWDD

  • Ja, wir wissen wovon Du schreibst...


    Wer nicht hören will, muss fühlen - langes Warten hat sich wohl gelohnt.


    W. :D & A. :D

  • Jou, schicker Bericht!
    Die Begeisterung sickert gut durch, das ist gut zu lesen, wo doch unter Tauchern normalerweise möglichst viel maskuline Coolness als schicklich gilt.


    Miltitz ist äusserst geeignet, die Attraktion Overhead-/Höhlentauchen zu erschnuppern,
    der Grossteil der Sehenswürdigkeiten ist problemlos ohne Trimix zu erleben.


    Einfach mal mit Peter quatschen, auch wer kein Höhlenticket hat, da gibts sehenswerte Möglichkeiten für geführte Tg's auf Cavern-niveau.


    Unsere normalen Miltitz-tg's beinhalten eigentlich immer auch einen sehr langen Auslauf im flachen Teil 0-6m,
    warum,
    weil Miltitz sich da nochmal anders präsentiert, Dinge die im tiefen Teil nicht zu finden sind.


    Die schiere Grösse der Hallen ist sicher auch was für Leute, die schon mehr richtige Höhlen gesehen haben, es kommen jedenfalls immer wieder Leute die z.B Frankreich, Florida, Mexico gut kennen und äussern sich dahingehend.


    IMHO, DER spot für Höhlenfeeling nördlich des Weisswurstäquators,
    nächster Halt nach Norden Ojamo oder Plura :D :-D


    Gruss,
    Hoffi

  • Hi MAren,
    toller Bericht. DA kommt Vorfreude auf, ich darf nächstes Wochenende wieder in Miltiz abtauchen. Freu und bitte ganz viel Neid von den Anderen!


    Hoffi, warst du mal in Plura (Norwegen) tauchen?

  • Manu,
    mein Neid sei dir gewiß ;)
    Wünsch dir trotzdem ganz viel Spaß und super Tg :knutsch:


    LieGrü
    Mela

    Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null. Das nennen sie dann ihren Standpunkt.



    :engelNX:
    DWDD

  • @ Manu,
    nö leider nicht, würde aber gerne mal...


    Viel Spass nächstes WE!


    Holk:


    Gruss an Fenu und Mara ( falls der auch kommt) bidde,
    mmmh, lecker :-D
    na denn oochn scheenes WE,


    äh, ick fahr nach Hemmendingens :D

  • Zitat

    Original von Mike
    ..... aus der südlichen Provinz Schleswig-Holsteins....


    Ähhh, wie jetzt ??? Fische können sprechen - ganz großes Kino :rofl: und auch noch schreiben :boxing:


    Olaf

  • Zitat

    Original von scubaduba
    Hi Maren, ....


    Jose


    Hi Jose,


    lass't doch mal die Maren in Ruhe, die liesst wohl erst in 'ner Woche wieder mit ... ist wohl in sonnigeren Gefielden. Den Bericht hat sie als "letzte Rache" noch kurz "abgeschossen" ...


    Olaf

  • Herzlichen Dank für die vielen tollen Rückmeldungen. Freut mich immer wieder sehr, dass Ihr so viel Spaß an meinem Geschreibsel habt.


    =)


    Zitat

    Original von OlafK
    ... ist wohl in sonnigeren Gefielden. Den Bericht hat sie als "letzte Rache" noch kurz "abgeschossen" ...


    JO, genau! :-D Inzwischen bin ich leider wieder da. :zeter:
    Neben der Sonne gab's noch etwas anderes Neues für mich im Hinblick auf Höhlentauchen. WARMES WASSER! 22 Grad Wassertemperatur! Ganz großes Kino, sage ich Euch!

  • Ich weiß ja inzwischen, dass hier einige Bildergerngucker unter Euch sind. Deshalb anbei ein paar weitere Hingucker aus dem Bergwerk. Die Bilder sind nicht von mir, sondern frisch aus der Kamera von Uli Kunz (Dankeschön, dass ich sie hier einstellen darf!!!).


    Es war wieder ein klasse Wochenende in Miltitz und ich kann meinen Dank an Peter nur wiederholen, der die Wochenenden wirklich hervorragend organisiert und sich jederzeit fröhlich und zuverlässig um alle kümmert.


    Ein extra :knutsch: an meine beiden Buddies für ein tolles Wochenende! Wann geht's wieder los? =)






    Alle Bilder copyright Uli Kunz