Tauchen oder Snowboarden... eine Gewissensfrage?
Ein Ausflug in die Schiefergrube Christine
Der norddeutsche Höhlenjunkie ist mit Möglichkeiten zur Suchtbefriedigung im Nahbereich nicht eben gerade gesegnet. Insofern nicht verwunderlich, dass die Alarmanlagen schrillen, als eine potentielle neue Möglichkeit auf dem Radar erscheint, die unter der magischen 1.000 Kilometergrenze für Hin- und Rückfahrt liegt. Höre ich da Stimmen, das sei nicht mehr Nahbereich? Na klar, ist es das. Alles eine Frage der Definition, der Neugierde und vor allem des Leidensdruckes…
Also ab auf die Autobahn nach Süden in Richtung Bielefeld. Erst hinter Paderborn verlassen wir mit der A33 den letzten Schnellfahrweg, der abgelöst wird von immer häufiger auftretenden kleinen Serpentinen, an denen uns Schilder in Richtung Brilon und Willingen – dem Ziel der Begehrlichkeiten – den Weg weisen. Das dabei mehr und mehr weißes Zeugs auf der Strasse zu sehen ist, verwundert an dieser Stelle vermutlich nur uns Norddeutsche. Schnee auf der Strasse im November? Wo gibt es denn so was?
Die Verwunderung steigt weiter, als wir das Ortschild von Willingen passieren. Was bitte ist denn hier los? Links und rechts an den Hängen Skilifte und ausgeleuchtete Pisten, an der Strasse Skischulen und abgestellte Skier vor den Restaurants. Ein prüfender Blick auf den Tacho zeigt, dass die Fahrt wirklich keine 400 Kilometer gedauert hat und es uns nicht versehentlich bis nach Österreich verschlagen hat. Hm, da hab’ ich wohl die falsche Ausrüstung eingepackt. Hier sieht es eher nach Snowboard statt Tauchausrüstung aus. Die Nachfrage beim Tankwart beruhigt aber – ja, das avisierte Besucherbergwerk ist nahe, einfach ins Stadtzentrum und dann links. Wer dort mutig in Richtung Feuerwehr abbiegt und diese rechts liegen lässt, findet am Ende des Weges ein kleines weißes Bauwerk mit Holzvordach unter dem Gitterrödeltische angebracht sind. Das muss es wohl sein, das Besucherbergwerk!
Beim Aussteigen aus dem Auto knirscht der Schnee unter den Füssen und schon kommt der erste Ball daraus geflogen. Ah, auch der bereits anwesende Berliner freut sich über die winterlichen Zustände…
Eine Ortsinspektion hinter dem Gebäude fördert die magische weiße Stahltür zu Tage, die wir vorab schon auf dem ein oder anderen Bild im Zusammenhang mit der Schiefergrube gesehen haben. Dahinter muss die Antwort auf den Radarausschlag sein: die Schiefergrube Christine. Entsprechend sehnsüchtig warten wir auf die Ankunft des Schlüssels, der den Sesam öffnet. Die Frage, was an einem kleinen Stück Wasseroberfläche ein paar Meter den Gang hinunter so besonders ist, das sich sein Glitzern sofort in die Augen der Anwesenden kopiert, ist leicht beantwortet. Die Gedanken in den Hirnen der Betroffenen was darunter liegt! Wassergefüllte Räume, die Aussicht auf spannende Tauchgänge bei klarem Wasser mit vielen neuen Eindrücken bieten. Und so warten wir nicht lange ab, um dem Bergwerk in Tauchausrüstung auf die Pelle zu rücken.
Der wassergefüllte Teil der Schiefergrube Christine eröffnet sich dem Besucher über den Bremsberg. Schienen am Boden und Reste eines Geländers an der Seite versetzen den Taucher direkt in die frühere Zeit zurück, in der hier noch Loren mit dem gewonnenen Material den Weg zur Oberfläche antraten. Reste eines solchen Gefährts finden sich kurz vor Erreichen der 1. Sohle. Der Hauptleine folgend geht es fast im 180 Grad-Winkel durch eine kleine Halle mit Rohren links um die Ecke in den Hauptgang. Ein Paar alter Stiefel zieren den Boden, bevor eine Abzweigung an der Leine erscheint. An diesem sogenannten T muss sich der tauchende Neugierige entscheiden, in welche Richtung es weiter gehen soll. Natürlich nicht ohne die Leine entsprechend in Richtung des Ausgangs zu markieren.
Schon diese erste Abzweigung zeigt den Reiz des Bergwerks auf. Überall finden sich abseits der Hauptleine kleine Räume, Treppen und andere Gänge, die nicht verleint sind und den Erkundungswütigen auf eine kleine Tour einladen. Wer lieber gemütlich an der Hauptleine bleibt, dem bieten sich tolle Sichtweiten die größeren Gänge entlang. Die obere Sohle hat eine Tiefe um die 23 Meter, so dass es sich mit Nitrox ausgiebig darauf herumtauchen lässt. Mit entsprechend angepasster Gaszusammensetzung und -menge ausgerüstet, gibt es am Ende des linken Gangs die Möglichkeit noch eine weitere tiefere Sohle zu betauchen, die sicherlich nicht minder beeindruckend ist. Über die tiefere Sohle soll es möglich sein die beiden oberen Gänge in einem Tauchgang miteinander zu verbinden. Hört sich spannend an!
Drei Tauchgänge haben wir uns in der Schiefergrube Christine an diesem Wochenende gegönnt. Alle drei Tauchgänge waren komplett unterschiedlich und trotzdem haben wir noch nicht alles in Augenschein genommen, was wir wollten. Die für Bergwerke typische Wassertemperatur von nur acht Grad gestalten die Taucherei recht frisch und im Winter fehlt an der Oberfläche die wärmende höhere Außentemperatur. Allerdings ist es auch eine witzige Atmosphäre in einem Skiort den Trockentauchanzug über zu ziehen. Die tolle Sicht, die dieses Mal nicht abgetauchten Leinen und der (für mich schwer lesbare…) Bergwerksplan aus früheren Zeiten machen neugierig auf einen weiteren Besuch. In diesem Bergwerk gibt es definitiv noch einiges mehr anzusehen. So ist die Rückfallwahrscheinlichkeit ziemlich hoch, denn inzwischen kenne ich meinen "Cavebug" gut genug, um zu wissen, dass es nicht lange dauern wird, bis er wieder gefüttert werden will. Und die Schiefergrube ist schließlich im Nahbereich… wird er mir sagen…
Ein großes Dankeschön an Petra für die unkomplizierte Organisation der Taucherei in der Schiefergrube. Dabei hat sich die Möglichkeit geboten altbekannte Gesichter wieder und Neue erstmalig zu sehen. Nett, mal wieder ein paar Gesichter mehr zu den DG-Nicks kennen zu lernen. Vielen Dank an Daniel Schmid und Dauerglühwurm Uli für das zur Verfügung stellen der Fotos und last, but not least:
Hoffi, Uli – großes Kino, ihr beiden! Lasst uns nicht zu lange warten mit der nächsten Tour!
(copyright Bilder: Daniel Schmid, Uli Kunz)